Blogparade – als ich zehn Jahre alt war
Als ich zehn Jahre alt war – Lutz Prauser hat für den Oktober in seinem Blog zwetschgenmann.de zu einer Blogparade aufgerufen. Ich finde es spannend, noch einmal zurückzublicken. Und obwohl das nur recht wenig mit Stricken zu tun hat, passt es trotzdem gut in mein Blog, finde ich.
Zweistellig
Als ich 10 wurde, war das Jahr 1980 fast vorbei, denn ich bin ein Dezemberkind. Wir hatten den ersten Sommer mit Sommerzeit hinter uns, den wir zum ersten Mal im Sommerurlaub in Italien verbracht hatten. Und dafür meine Schildkröte über zwei Landesgrenzen schmuggeln mussten, kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen! Auf dem Foto ist sie zu sehen. Sie ist in unserem Haushalt 20 Jahre alt geworden und war am Ende wohl über 50. Ich bin rückblickend froh, dass die Haltung dieser wunderbaren Tiere nicht mehr so per Zooladen möglich ist wie damals. Aber meinen Muckel hab ich geliebt. Sonst und auch 1981 verbrachten wir die Sommertage immer im Wochenendhäuschen im „Schneppelmoor“ im Landkreis Gifhorn.
Nun also zehn. Der Geburtstag wurde gebührend gefeiert mit „Ostfriesenkegeln“ auf der Kegelbahn in Fallersleben, dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin. Ich kann mich noch erinnern, dass wir SEHR viel Spezi tranken.
Damals ging ich in die 4. Klasse der Eulenschule, im Sommer kam ich dann in die Orientierungsstufe, die es damals für die 5. und 6. Klasse in Niedersachsen gab. Und der Schritt aus der altehrwürdigen Grundschule in das damals hochmoderne Gymnasium (erster Abi-Jahrgang 1982) war für mich quasi der erste zum Erwachsenwerden. Im Laufe des Jahres trennte ich mich von meinen langen Haaren – wenn auch nur an der Stirn und trug fortan Pony. Das habe ich tatsächlich erst 32 Jahre später wieder gelassen. Meine „Frisur“ hat sich ansonsten nicht nennenswert verändert.
Mode in Zeiten der Friedensbewegung
Ich trug damals wie all meine Klassenkameraden Parka, Palästinensertuch, Turnschuhe und Jeans, deren Außennähte weiß paspelliert waren. Wir liefen also rum wie die Leute, die tapfer ein „Freies Wendland“ gegen Atomkraft ausgerufen hatten, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, warum Petting besser als Pershings sein sollten (und was das beides überhaupt war). Auf dem Foto sitze ich ganz vorn rechts, die Aufnahme stammt von unserer Klassenfahrt in der vierten Klasse.
Ich erinnere mich aber daran, dass ich die Friedensbewegung zwar noch nicht in Gänze kapierte, wohl aber dieses Ohnmachtsgefühl gegen die Mächtigen, die einfach mal auf einen roten Knopf drücken konnten ebenfalls spürte. Ich las damals schon regelmäßig den „Stern“ mit. Ich weiß noch, da gab es einen Artikel über mögliche Atombombenziele in Deutschland, und eins davon war natürlich Wolfsburg. Ich verstand damals die Fiktion nicht und erinnere mich an viele schlaflose Nächte in der Gewissheit, bald sterben zu müssen.
Krieg, Zerstörung, Hoffnungslosigkeit
In meiner politischen Weltsicht gab es nur einen Haufen alter Opas, von denen manche irgendwie cool (Helmut Schmidt, Bundeskanzler), manche peinlich (Ronald Reagan, US-Präsident) und manche böse und gefährlich (Ayatollah Khomeini, Iran). Das erste politische Ereignis, das ich wirklich bewusst wahrnahm, war der Mord an Ägyptens Staatspräsidenten Sadat, wieso, weshalb, warum blieb mir aber schleierhaft. Wir verbrachten Ostern bei Freunden in der DDR – die Grenze war damals für mich allgegenwärtig, da ich im „Zonenrandgebiet“ groß geworden bin, und so kannte ich auch das beklemmende Gefühl, durch die Grenzanlage bei Helmstedt zu fahren. Warum man unsere Freunde aber einsperrte, das hab ich allerdings noch nicht verstanden. Nur war irgendwie alles unsicher, man sorgte sich vor Krieg. Das ist so das, was mein Denken mit zehn beherrschte. Und mittendrin – Glamour und Freiheit: Das britische Königshaus bescherte uns eine echte Prinzessin, Charles heiratete Diana. Diese Traumhochzeit habe ich tatsächlich in meinem ersten Urlaub allein mit anderen Pferdemädchen auf dem Ponyhof angeschaut. Denn mir wurde ein Traum erfüllt: Ferien auf dem Reiterhof! Leider habe ich nur die Ponys fotografiert, wenig interessant aus heutiger Sicht.
Der Duft der großen weiten Welt
Wir Kinder versüßten uns Kalten Krieg und Hoffnungslosigkeit mit schräger Musik und buntem Kleinkram. „Hello Kitty“ trat zum Beispiel in mein Leben. Sehr wichtig für mich war damals das richtige Schul-Equipment. Duftende Bleistifte in allen gängigen Pastellfarben zum Beispiel, zum Teil habe ich sie heute noch! Jeder Gang in den örtlichen Schreibwarenladen „Großkopf“ brachte neuen Kleinkram mit sich. Und natürlich „My Melody“. DER Duft des Erwachsenwerdens für mich. Extrem wichtig war es damals für uns, Buttons mit Sponti-Sprüchen und Logos von Bands zu haben.
Ich hatte die meisten von meinem Schwarm Shakin’ Stevens. Und natürlich Poster an den Wänden und den Bravo-Starschnitt. Meine Poster-Sammlung und die Buttons von Shaky liegen heute noch in der Erinnerungskiste. Mit der EINTRITTSKARTE für sein Konzert! Mit meinem Papa war ich da. Und: Musikvideos liefen ganz neu im Fernsehen. Da begegnete mir dann ein „Prince Charming“ in Form der New-Romantic-Band „Adam & The Ants“. Das war der Startpunkt der Entwicklung meines eigenen Musikgeschmacks. Ich besitze nach wie vor sämtliche Alben von Adam Ant.
Dann war das ja auch schon vorbei. Ach ja, an meinem 11. Geburtstag wurde Britney Spears geboren 😉
27. Oktober 2016 zu 11:45
Herzlichen Dank für’s Mitmachen und die ausführlichen Erinnerungen an die Achtziger.., Auf den Punkt gebracht übrigens die alten Männer in der Politik – von cool bis böse.
27. Oktober 2016 zu 14:45
Die Idee war wirklich großartig, das war ein ziemlich cooles Jahr, von 1982 hätte ich nicht halb so viel gewusst.
Danke für das Kompliment! Ich habe z.B. damals gar nicht wahrgenommen, dass Margaret Thatcher an der Macht war, die ist mir nie aufgefallen zwischen den ganzen Opas.
27. Oktober 2016 zu 11:56
[…] erzählt in ihrem Strickblog über ihre Schildkröte Muckel, Ostfriesenkegeln, die aufkeimende Friedensbewegung, den Duft der […]
1. November 2016 zu 11:02
[…] erzählt in ihrem Strickblog über ihre Schildkröte Muckel, Ostfriesenkegeln, die aufkeimende Friedensbewegung, den Duft der […]
6. Dezember 2016 zu 18:27
Hallo Nicole, hast Du damals in dem Wochenendhaus Dosen gesammelt ? 😉
6. Dezember 2016 zu 18:50
Hey Felix, da hast du richtig getippt 🙂 die Welt ist klein 😉 Liebe Grüße von Nicole