Was würde ich an München vermissen?
muenchen.de fragt in seinem Blog „Was würde ich an München vermissen?“ und ruft zu einer Blogparade dazu auf. Ich könnte es kurz machen: ich wohne seit 2001 nicht mehr in München und vermisse glatt überhaupt gar nichts. Aber das wäre frech. Denn ich bin nur 17 km Luftlinie weiter gezogen. Eben in den berühmt-berüchtigten Speckgürtel. Zählt also nicht. Die bisherigen Antworten in der Parade lauten streng zusammengefasst in etwa „Biergärten, Brezn, Berge“. Doch das hätte man auch in Rosenheim oder Tegernsee, nicht? Auffällig, dass so wenige typische Antworten kommen. Ich finde München nämlich einzigartig. Als Nordlicht habe ich es hier schon etwas schwerer, der Münchner an sich grantelt gern mit uns. Das geht mir vermutlich, wenn weg, eher nicht so ab 🙂 Also, was würde ich an München vermissen?
Biergärten?
Ob ich speziell die Münchner Biergärten vermissen würde, kann ich nicht recht sagen, da auch in der Umgebung sehr viele schöne Biergärten zu finden sind. Ich wohne ja bereits im Speckgürtel, und der zu Gauting gehörende Biergarten in Forstkasten oder auch die Biergärten am Ammersee oder in Leutstetten mag ich sehr. Verglichen mit meiner Heimat: In Niedersachsen kennt man diese Art Biergärten nicht, das ist schon etwas typisches für Bayern (ich denke an Speisenmitnahme und Blaskapellen). Draußen sitzen im Winter ist dort auch eher untypisch. Aber Biergärten gibt es dort auch. In meinem Heimatstädtchen Fallersleben zum Beispiel das Alte Brauhaus. Selbst typisch bayrische Spezialitäten kann man da essen, wenn man mag (was ich wiederum sehr schräg finde).
Brezn?
NEIN!!! Tut mir leid. Im Gegenteil trauere ich der Vielfalt der Bäckereien meiner Heimat nach. Hefeteilchen, Campingbrötchen, Gersterbrot, Franzbrötchen, Maserinen, Schwarzbrot, Rumkugeln, Hörnchen, Zuckerbrot, Milchbrötchen, von allen diesen Dingen scheint kein Münchner Bäcker je gehört zu haben. Zumindest die, die ich frequentiere, haben das alles nicht. Brezn und Semmeln – und wenn es süß sein soll, Varianten in Blätterteig. Ab und zu gibt es einmal richtig großartige Vollkornbrote. Aber darüber hinaus? Tut mir leid, da ist es eher umgekehrt. Und jetzt grantelt nicht zu sehr mit mir, ja? Ich hab’s halt nicht so mit dem Laugengebäck. (Ich zeige Euch auch gern einmal, was zum Teufel die ganzen Sachen sind, die ich hier erwähnt habe 😉 ) Aber!!!
Ich finde die Cafés hier großartig. Mein persönlicher Favorit ist das Café Luitpold mit prunkvollem Interieur, der berühmten Prinzregententorte und einem eigenen Museum. Da müsst Ihr unbedingt mal hin!
Berge?
Ja, die gibt es SO definitiv nicht in Niedersachsen, da haben wir „nur“ den Harz. Ob ich ihnen nachtrauern würde, kann ich aber gar nicht recht sagen. Die Male, die ich wirklich IN den Bergen war von München aus, kann ich noch locker an einer Hand abzählen. Sie sind da, sie sind unheimlich schön anzuschauen, aber als Freizeitvergnügen nutze ich sie nicht – dies ist allerdings vor allem der Logistik geschuldet. Diese elenden Staus am Wochenende, weil „alle“ in die Berge fahren, halten mich davon ab. Und ich fahr kein Ski. Vielleicht ist es einfach auch das. Die Natur südlich von München ist allerdings großartig. Und die Isar, die ist schon fein.
Ich hab dann noch ein bisschen weiter überlegt. Was verbindet man noch mit München? Und kam auf dies:
Italien?
Klar ist die geografische Lage von München in Richtung Süden der Hammer. Österreich ist ein Katzensprung, und selbst nach Italien braucht man bloß 3 Stunden. Einem Sommerurlaub in Italien steht nichts im Wege. Ich habe diese Route auch schon sehr oft genutzt und das könnte ich wirklich vermissen. Von Niedersachsen aus ist der Chiemsee eeeeeeeeeeewig weit weg, von hier aus ein Katzensprung. Man ist von hier aus eher in Florenz als in Münster. Die südliche Orientierung merkt man hier eben auch an jeder Straßenecke. Dieses „Italiener-Flair“ gefällt mir tatsächlich sehr.
Das Mittelmeer allerdings würde ich niemals der Nordsee vorziehen. Ich bin schon mehrfach von hier aus nach Holland gefahren. Nichts geht über Zeeland. Sorry. Aber das Mittelmeer liegt ja auch nicht in München 😉
Szene?
Diese aus anderen Großstädten bekannten Szenen wie „Drogenmilieu“ und „Rotlichtviertel“ hat München nicht. Da hängen keine Punks ab und es gibt auch keine windigen fliegenden Händler. Hier ist alles sauber und ordentlich. München wirkt deshalb auf mich beschaulich, gutbürgerlich. Szenen gibt es bestimmt, aber man bekommt im Stadtbild nichts davon mit. Ich glaube, das würde ich schon vermissen, diese gepflegte Ruhe. Die „Schickeria“ treibt sich nicht mit mir herum. Einzig auffällig ist, dass im Landkreis Starnberg die Porsche-Cayenne-Quote im Straßenverkehr signifikant hoch ist.
Wiesn?
Geh ich hin, lauf drüber, schau ins Bierzelt, geh heim. Ist halt da. Würd mir vielleicht schon abgehen, wenn ich nicht hinkönnte. So richtig hammerhart finde ich es aber schon, dass man quasi mitten in der Stadt monatelang eine gigantische Freifläche vorfindet, für die Immobilienmogule ihre Seele verkaufen würden. Die könnte man meinetwegen aber auch gern länger mit dem Tollwood füllen. DAS ist für mich etwas ganz Besonderes in München. Ich mag auch die Auer Dult und das Isar-inselfest und das Flair im Englischen Garten, das Radeln in den Isar-Auen und überhaupt, den enormen Freizeitwert der vielen Parks und Wälder. Deshalb würde ich wohl vor allem die Seenlandschaft vermissen.
Die Abende am Ammersee, oder ein Nachmittag in Possenhofen… Ich genieße es sehr, zwischen alten Bäumen im Würmtal zu spazieren, das Moor dort ist auch klasse, überhaupt diese riesigen Wälder gefallen mir sehr. Auch das gibt es in meiner Heimat, Wolfsburg ist unheimlich grün und die Heidelandschaft ist auch sehr reizvoll, aber die Art des Waldes unterscheidet sich schon eklatant von hier.
Was vermisste ich noch?
Sicherheit: Ich fühle mich hier ungefährdet. Weder gibt es krasse Einbruchserien wie in meiner Heimat, noch irgendwelche zwielichtigen Viertel. Auch nachts nach der Wiesn bin ich problemlos im Dunkeln allein heimgekommen. In Köln oder Frankfurt würde ich mich das nicht trauen.
Kultur: Das gigantische Angebot an Konzerten, Museen und Veranstaltungen würde mir abgehen. Wer auch immer eine Tour plant, München steht meist mit auf der Liste. Hier spielt nicht das Provinztheater. Die kleinste Opernbühne in Pasing mit Open Air in der Blutenburg, der verrückte Eismacher, die vielen schönen Schlösser.
Das Wetter: ich mag Föhntage, auch wenn sie manchmal Kopfweh bringen. Heiligabend in T-Shirt und Shorts im Biergarten, an Silvester Spaziergang im Tiefschnee. Irgendwie cool.
Historische Gebäude: es ist hier einfach „anders“, sehr südlich orientiert, viele prachtvolle Barockbauten. Letztes Jahr habe ich z.B. das Friedhofsamt besichtigt, eine altehrwürdige Villa. Daran kann ich mich gar nicht sattsehen. Diese vielen Schlösser mitten in der Stadt! Hier zum Beispiel Schloss Blutenburg, das ob einer falschen Schriftlesung nicht mehr „Blütenburg“ heißt und das doch so verdient hätte.
Medien! Politik! Gesellschaft! Alle möglichen TV-Sender residieren in Unterföhring und auch mitten in der Stadt. Wenn etwas in München passiert, ist das von Belang, man bekommt es mit. Die Sicherheitskonferenz, der letzte G7-Gipfel, Stoiber hier und Seehofer da. Und eben auch viele Veranstaltungen, Events und dergleichen. In München kann man präsent sein, wenn man das möchte.
Ich habe hier schon jede Menge großartige Stars gesehen, war bei TV-Events dabei, habe Musical und Theater genossen. Was auch immer mir schon eingefallen ist, München hat es mir geboten. Zum Beispiel auch den B2Run in großartiger Kulisse.
Ach.. und unbedingt
Freundschaften – Der Münchner an sich tut sich mit den Preissn ja echt schwer. Aber wenn man dann mal „drinnen“ ist, dann ist man irgendwie adoptiert. Zwar so ein bisschen liebevoll belächelt, weil man halt naiv ist und meint, es gäbe auch andere schöne Städte. Aber ich mag z.B. meinen „Maschentreff“ (siehe Ravelry) und die „Münchner Gschichtn„-Stammtische (findet Ihr bei Facebook) nicht mehr missen. Und wenn doch gegrantelt wird, dann wirft die gebürtige Braunschweigerin einfach mal ein, dass es ohne Heinrich den Löwen diese Stadt ja gar nicht gäbe. Dann lachen wir alle und trinken einen drauf. 🙂
Ja, also ich mag es schon, das München. Und ich glaube, ich würd es auch sehr vermissen, müsste ich hier wieder weg.